27. Februar 2022 – dpa
Regierungserklärung von Olaf Scholz
Bundeskanzler Scholz: «Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie davor»... Kernaussagen der Regierungserklärung!
Sondersitzung des Bundestags zum Krieg in der Ukraine, Foto: Kay Nietfeld/dpa
Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt und weitgehende Konsequenzen für die deutsche Politik angekündigt. Kernaussagen der Regierungserklärung:
«Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen. Aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime in Frage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.»
«Wir erleben eine "Zeitenwende". Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor. Im Kern geht es um die Frage, ob Macht das Recht brechen darf. Ob wir es Putin gestatten, die Uhren zurückzudrehen in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts. Oder ob wir die Kraft aufbringen, Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen.»
«Mit dem Überfall auf die Ukraine will Putin nicht nur ein unabhängiges Land von der Weltkarte tilgen. Er zertrümmert die europäische Sicherheitsordnung, wie sie seit der Schlussakte von Helsinki fast ein halbes Jahrhundert Bestand hatte. Er stellt sich auch ins Abseits der gesamten internationalen Staatengemeinschaft.»
«Wir müssen die Ukraine in dieser verzweifelten Lage unterstützen. Das haben wir auch in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren in großem Umfang getan. (...) Am Donnerstag hat Präsident Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine eine neue Realität geschaffen. Diese neue Realität erfordert eine klare Antwort. Wir haben sie gegeben. Wie Sie wissen, haben wir gestern entschieden, dass Deutschland der Ukraine Waffen zur Verteidigung des Landes liefern wird. Auf Putins Aggression konnte es keine andere Antwort geben.»
«Der Krieg ist eine Katastrophe für die Ukraine. Aber: Der Krieg wird sich auch als Katastrophe für Russland erweisen. Gemeinsam mit den EU-Staats- und Regierungschefs haben wir ein Sanktionspaket von bisher ungekanntem Ausmaß verabschiedet. Wir schneiden russische Banken und Staatsunternehmen von der Finanzierung ab. Wir verhindern den Export von Zukunftstechnologie nach Russland. Wir nehmen die Oligarchen und ihre Geldanlagen in der EU ins Visier. (...) Und wir schließen wichtige russische Banken vom Banken-Kommunikationsnetz Swift aus.»
«Dieser Krieg ist Putins Krieg. Die Differenzierung ist mir wichtig. Denn die Aussöhnung zwischen Deutschen und Russen nach dem Zweiten Weltkrieg ist und bleibt ein wichtiges Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte.»
Sondersitzung des Bundestags zum Krieg in der Ukraine, Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
«In vielen russischen Städten haben Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Tagen gegen Putins Krieg protestiert, haben Verhaftung und Bestrafung in Kauf genommen. Das erfordert großen Mut und große Tapferkeit! Deutschland steht heute an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. (...) Und genauso stehen wir an der Seite all jener in Russland, die Putins Machtapparat mutig die Stirn bieten und seinen Krieg gegen die Ukraine ablehnen. Wir wissen, sie sind viele. Ihnen allen sage ich: Geben Sie nicht auf!»
«Ohne Wenn und Aber stehen wir zu unserer Beistandspflicht in der Nato. (...) Präsident Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen. Wir meinen das sehr ernst. Mit der Aufnahme eines Landes in die Nato ist unser Wille als Bündnispartner verbunden, dieses Land zu verteidigen. Und zwar so wie uns selbst.»
«Wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen. Das ist eine große nationale Kraftanstrengung. Das Ziel ist eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt. (...) Wir werden dafür ein "Sondervermögen Bundeswehr" einrichten. (...) Der Bundeshaushalt 2022 wird dieses Sondervermögen einmalig mit 100 Milliarden Euro ausstatten. (...) Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.»
«Wir werden umsteuern, um unsere Importabhängigkeit von einzelnen Energielieferanten zu überwinden. (...) Eine verantwortungsvolle, vorausschauende Energiepolitik ist nicht nur entscheidend für unsere Wirtschaft und unser Klima. Sondern entscheidend auch für unsere Sicherheit. Deshalb gilt: Je schneller wir den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben, desto besser. (...) Und schließlich haben wir die Entscheidung getroffen, zwei Flüssiggas-Terminals, LNG-Terminals, in Brunsbüttel und Wilhelmshaven schnell zu bauen.»
«Putins Krieg bedeutet eine Zäsur auch für unsere Außenpolitik. So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein – dieser Anspruch bleibt. Nicht naiv zu sein, das bedeutet aber auch: Kein Reden, um des Redens willens. Für echten Dialog braucht es die Bereitschaft dazu auf beiden Seiten. Daran mangelt es aufseiten Putins ganz offensichtlich. (...) Wir werden uns Gesprächen mit Russland nicht verweigern. Auch in dieser extremen Lage ist es die Aufgabe der Diplomatie, Gesprächskanäle offenzuhalten.»
«Wenn wir wollen, dass diese letzten 30 Jahre keine historische Ausnahme bleiben, dann müssen wir alles tun für den Zusammenhalt der Europäischen Union, für die Stärke der Nato, für noch engere Beziehungen zu unseren Freunden, Partnern und Gleichgesinnten weltweit. Ich bin voller Zuversicht, dass uns das gelingt.»