03. November 2020 – dpa
Am Tag nach dem islamistischen Terroranschlag in Wien sind auch die Berliner Sicherheitsbehörden besonders aufmerksam. Die Schutzmaßnahmen der Polizei für gefährdete Objekte wie Synagogen seien «sowieso auf hohem Niveau», teilte ein Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur mit. Aktuell gebe es nun noch eine «verstärkte Wachsamkeit».
Synagogen, andere jüdische Einrichtungen sowie weitere gefährdete Orte werden in Berlin schon seit langem bewacht. Allerdings betonten Geisel und die Polizei immer wieder, dass es absolute Sicherheit und einen hundertprozentigen Schutz vor Terroranschlägen in einer so großen Stadt nicht geben könne. Das gilt gerade für Plätze mit vielen Menschen oder auch volle Bahnhöfe und öffentliche Verkehrsmittel.
Bei dem Anschlag am Montagabend in Wien erschoss ein 20-jähriger Anhänger der radikalislamistischen Terrormiliz IS nahe der Hauptsynagoge in der Innenstadt mindestens vier Menschen. Ein Dutzend weitere Menschen wurde verletzt. Anschließend wurde der Mann von der Polizei erschossen.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) betonte: «Einmal mehr erkennen wir heute, dass unsere Werte von Freiheit, Toleranz und Demokratie fragil und verteidigungsbedürftig sind.» Man müsse den Feinden der Demokratie weiterhin entschieden entgegentreten. «Hass, Gewalt und Terror haben keinen Platz in unserer Gesellschaft.» In Berlin denke man nun auch an den islamistischen Terroranschlag des Tunesiers Anis Amri am 19. Dezember 2016 auf dem Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche.
Innensenator Geisel kündigte über Twitter an: «Unsere Antwort muss sein: konsequent die Täter verfolgen, bestrafen und die Hintergründe der Tat benennen. Unsere Antwort darf nicht sein: Die europäischen Werte von Freiheit, Toleranz und Vielfalt infrage zu stellen.»
Unterdessen verlangte die Berliner CDU im Kampf gegen den Terrorismus mehr Möglichkeiten für die Polizei: beim Abhören und Mitlesen von Telefongesprächen und Chats, durch Videoüberwachung von Plätzen und Straßen, speziellen Fahndungsmöglichkeiten nach Verdächtigen und dem vorsorglichen zeitweiligen Inhaftieren von sogenannten Gefährdern.
Die Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch erklärte mit Blick auf die letzten Terroranschläge: «Ob Paris, Dresden, Nizza oder Wien - als Europäer kämpfen wir zusammen gegen islamistischen Terror und verteidigen unsere Demokratie und unsere vielfältige Gesellschaft. Gemeinsam sind wir stärker als der Hass.»
In Berlin stufte der Verfassungsschutz Ende 2019 1140 Menschen als Salafisten - also besonders radikale Muslime - ein. Die Zahl nimmt seit langem von Jahr zu Jahr zu. 10 Prozent der etwa 100 Berliner Moscheen dienen demnach den Salafisten als Treffpunkte. Laut Verfassungsschutz gehören etwa 30 Menschen zu einem «islamistisch-terroristischen» Potenzial, sie kommen vor allem aus dem Nordkaukasus.
In ganz Deutschland zählte die Polizei Anfang Juli dieses Jahres 629 sogenannte islamistische Gefährder. Als solche bezeichnet sie Menschen, denen sie eine politisch motivierte Straftat von erheblicher Bedeutung zutraut - etwa einen Terroranschlag. Nach Einschätzung von Innenpolitikern sind das zu viele potenzielle Gewalttäter, um sie rund um die Uhr zu überwachen.