09. Oktober 2020 – dpa
Neue Corona-Vereinbarungen
In Großstädten drohen neue Maskenpflicht und Sperrstunden - Die Vereinbarungen im Überblick
Passanten mit Mund-Nasen-Schutz, Foto: Axel Heimken/dpa
In deutschen Großstädten drohen angesichts steigender Corona-Infektionszahlen neue Maskenpflichten, Sperrstunden und eine weitere Begrenzung für Veranstaltungen und private Feiern. Auf diese Maßnahmen einigte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag mit den Bürgermeistern der elf größten Metropolen. Solche und ähnliche Beschränkungen sollen eingeführt werden, wenn die Gesundheitsämter in einer Woche mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner registrieren.
Merkel mahnte, an der Entwicklung in den Ballungsräumen zeige sich, «ob wir die Pandemie in Deutschland unter Kontrolle halten können oder ob uns die Kontrolle entgleitet». Die Kanzlerin räumte ein: «Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Einschränkungen, die jetzt nötig sind, wehtun.» Es sei aber wichtig zu verhindern, dass das öffentliche Leben, Schulen und die Wirtschaft noch einmal so stark zurückgefahren werden müssten wie im Frühjahr. «Die Infektionszahlen steigen. Aber wird sind alles andere als ohnmächtig dagegen», betonte Merkel.
Gelinge es mit den vereinbarten Maßnahmen aber nicht, den Anstieg der Infektionen innerhalb von zehn Tagen auszubremsen, seien weitere Beschränkungen unvermeidlich. Merkel nannte etwa Beschränkungen für Restauranttische und Zuschauer bei Fußballspielen. Man wisse anders als im Frühjahr jetzt aber auch, dass sich etwa Einkaufen nicht als sehr infektionskritisch herausgestellt habe.
Ein Mundschutz liegt im Regen auf einer Wiese, Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/d
Bereits bei einem Grenzwert von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern sollen Experten vom Robert Koch-Institut und von der Bundeswehr den Städten beratend zur Seite stehen. Die Großstädte sollen außerdem dafür sorgen, dass ihre Ordnungsämter die Einhaltung der Regeln auch wirklich kontrollieren können.
Die Kanzlerin hatte sich angesichts stark steigender Infektionszahlen mit den Verantwortlichen der elf größten deutschen Städte getroffen: den Oberbürgermeistern und Bürgermeistern von Berlin, Hamburg, Bremen, München, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Leipzig und Stuttgart.
Die Berliner Charité verschiebt ähnlich wie im Frühjahr wegen der steigenden Zahlen wieder planbare Eingriffe. «Wir müssen versuchen, die Intensivbetten für Covid-Patienten frei zu bekommen», sagte Vorstandsmitglied Ulrich Frei. Das führe zu schwierigen ethischen Fragen, etwa im Umgang mit Herz- und Tumorkranken. Ähnlich äußerte sich der Chef des Uni-Klinikums Frankfurt.
Michael Müller (l, SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, und Christian Drosten, Direktor Institut für Virologie, Charité Berlin, Foto: Markus Schreiber/AP POOL/dpa
Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) schloss weitergehende Einschränkungen nicht aus. Dabei würden nicht nur die Infektionszahlen, sondern auch Testkapazitäten und andere Komponenten beurteilt. In der Nacht zu diesem Samstag sollten in der Hauptstadt eine Sperrstunde und strenge Kontaktverbote für drinnen und draußen in Kraft treten. Vor allem die jüngeren Berliner sollten einsehen, dass jetzt nicht die Zeit für Feiern sei, sagte Müller.
Die meisten Geschäfte sowie alle Restaurants und Bars müssen von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr schließen. Im Freien dürfen sich von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr nur noch fünf Personen oder Menschen aus zwei Haushalten versammeln. An privaten Feiern in geschlossenen Räumen dürfen nur noch maximal 10 statt bisher 25 Personen teilnehmen. Zudem gibt es eine allgemeine Maskenpflicht in Büro- und Verwaltungsgebäuden. Berlin denkt zudem über einen Schichtbetrieb in den Schulen nach. «Ich vermute, so etwas wird in den Wintermonaten nötig sein», sagte Müller.
Berlins Regierender Bürgermeister kritisierte allerdings die von vielen Bundesländern beschlossenen Beschränkungen für Reisende aus Corona-Hotspots. «Diese Reisebeschränkungen helfen aus meiner Sicht nicht», sagte er. Es würden «wahnsinnig viele personelle Kräfte und Testkapazitäten» gebunden - mit Ergebnissen, «die man so zumindest auch nicht braucht jetzt zur Pandemiebekämpfung».
Die Länder hatten mehrheitlich beschlossen, dass Reisende aus Gebieten mit sehr hohen Infektionszahlen nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test haben. Greifen soll dies für alle aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen. Einige Länder gaben zu dem Beschluss aber abweichende Erklärungen ab.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Foto: Axel Schmidt/Reuters Pool/dpa
Was Kanzlerin Merkel mit den Großstadt-Bürgermeistern vereinbarte
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Bürgermeister der elf größten Städte in Deutschland haben am Freitag folgende Beschlüsse gefasst:
- Spätestens ab 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen entsendet das Robert Koch-Institut auf Bitten der Stadt Experten in die Stadt, die Krisenstäbe beraten.
- Das gilt auch für Experten der Bundeswehr.
- Ab 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern soll es umgehend neue Beschränkungen geben. Dazu gehören eine Erweiterung der Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und gegebenenfalls Sperrstunden und Alkoholbeschränkungen für die Gastronomie sowie Teilnehmerbeschränkungen für Veranstaltungen und private Feiern.
- Sind die Gesundheitsämter mit der Kontaktnachverfolgung überfordert, sollen Bund und Land personelle Unterstützung leisten.
- Die Großstädte müssen die Ordnungsämter so entlasten, dass diese die Einhaltung der Regeln kontrollieren können. Bund und Länder beraten, ob auch Bundespolizei und Länderpolizeien unterstützen können.
- Schutzmaßnahmen in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen sollen an die Infektionszahlen angepasst werden. Der Bund stellt sicher, dass die Kosten von regelmäßigen Schnelltests von Bewohnern, Patienten, Besuchern und Personal
übernommen werden.
- Wird der Anstieg der Infektionszahlen durch diese Maßnahmen nicht innerhalb von zehn Tagen ausgebremst, sind weitere Beschränkungsschritte geplant, um öffentliche Kontakte zu reduzieren.