25. Mai 2020 – dpa
Der Dieselskandal ist mit dem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) wieder in aller Munde. Viele Kläger in laufenden Verfahren können mit dem Grundsatzurteil auf Entschädigung hoffen. Doch wer kann jetzt eigentlich noch neu mit einer Klage einsteigen, um betroffene Autos zurückzugeben oder eine Minderung der Kaufsumme zu erzielen?
In Bezug auf den bislang betrachteten Skandalmotor mit der Nummer EA-189 hängt das auch von der Verjährungsfrist ab, sagt Rechtsanwalt Jens Dötsch vom Deutschen Anwaltverein (DAV).
Die Rechtslage ist kompliziert. Trotzdem rät Dötsch bislang untätigen Klagewilligen mit Rechtsschutzversicherung dazu, aktiv zu werden. Denn die Frist für eine Verjährung könnte bestenfalls noch nicht abgelaufen sein. Nicht mehr klagen kann, wer sich im Rahmen der Sammelklage mit VW geeinigt hat - genau wie alle, die bereits in einem anderen abgeschlossenen Gerichtsverfahren entschädigt wurden.
Wann hat man Kenntnis vom Mangel?
Grundsätzlich gilt in Bezug auf Verjährung eine Frist von drei Jahren, gerechnet vom Ende des Jahres, in dem die Kunden Kenntnis vom Mangel bekamen. Die Rechtsprechung ist bislang aber uneinheitlich, wann genau dieser Zeitpunkt zu setzen ist. Etwa mit dem ersten Bekanntwerden Ende 2015, was eine Frist Ende 2018 bedeutet hätte?
Andere Urteile legen den Zeitraum später und argumentieren, dass der breiten Öffentlichkeit erst 2016 ausreichend Informationen vorlagen, was die Frist Ende 2019 setzt. «Es gibt aber Gerichte, die das Ende der Verjährung Ende 2020 sehen», sagt Dötsch. Denn diese Richter nehmen dann den Zeitpunkt von 2017 in Visier, als VW auch zum ersten Mal Verfehlungen eingeräumt hat. «Das sind allerdings auch erst wenige Gerichte», sagt Dötsch.
Daneben gibt es auch Gerichte, die von einer sogenannten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ausgehen. «Wenn also auf gut Deutsch betrogen wurde, dann gilt eine verlängerte Frist von zehn Jahren ab Kenntnis», sagt Dötsch. «Allerdings wurde das noch nicht höchstrichterlich bestätigt.»
Der BGH-Entscheid als Fingerzeig
Der BGH hat zwar jetzt die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung bestätigt, musste aber über die Verjährungsfrist noch nicht entscheiden, erläutert der Rechtsanwalt. Aber das Urteil des BGH werte das Argument für die Zehn-Jahres-Frist auf. «Denn immerhin stellt der BGH ausdrücklich klar, dass betrogen wurde, was zumindest einen Fingerzeig für die Folgefrage der Verjährung bedeutet.»
Allerdings muss man sich auch beim Erfolg der Klage, etwa bei Wandlung eines Kaufvertrages, eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen. Daher sei es auch Ziel der gegnerischen Seite, Zeit zu schinden. «Denn je länger auch aussichtslose Verfahren dauern, desto mehr Nutzungsentschädigung müssen sich die Kunden anrechnen lassen», sagt Dötsch.